Qualität in Integrierten Versorgungsnetzwerken – Der Care4Saxony QI-Würfel

Zusammenfassung

Was macht Qualität des Versorgungsprozesses in einem Gesundheitsnetzwerk aus? Welche Qualitätsaspekte sollten dabei berücksichtigt werden? Zur Beantwortung dieser Fragen stellen wir ein Klassifikationsframework für die Qualität in integrierten Versorgungsnetzwerken, den Care4Saxony QI-Würfel, zur Verfügung.

Abstract

What is the quality of the care process in a healthcare network? Which quality aspects should be considered? To answer these questions, we provide a classification framework for quality in integrated healthcare networks, the Care4Saxony QI-Cube.

Hintergrund

Die im Rahmen von Care4Saxony entwickelte Pa2QM-Methode zum pfadbasierten Qualitätsmanagement in integrierten Versorgungsnetzwerken sieht die Entwicklung eines Netzwerk-QI-Schemas vor. Für die ausgewählten/entwickelten Qualitätsindikatoren müssen alle Merkmale beschrieben werden, die für das pfadbezogene Qualitätsmanagement notwendig sind. Um eine geeignete Qualitätssystematik für ein Gesundheitsnetzwerk entwickeln zu können, ist ein Überblick über potentiell wichtige Qualitätsbereiche nötig. Vor diesem Hintergrund wurde der Care4Saxony QI-Würfel entwickelt. Dieses Klassifizierungsframework beschreibt auf drei Dimensionen eine Klassifikation für Qualität in integrierten Versorgungsszenarien.

 

Qualität im Gesundheitswesen

Die traditionelle Klassifizierung von Qualität im Gesundheitswesen geht auf die Unterscheidung von

  • Strukturqualität, z. B. Infrastruktur, IT-Ausstattung, Material, Mitarbeiter-qualifikation,
  • Prozessqualität, z. B. Interventionen, Diagnosetätigkeiten) und
  • Ergebnisqualität, z. B. Gesundheitszustand des Patienten, Patientenzufriedenheit

nach Donabedian zurück . Dementsprechend wurde dies auch zu einem gängigen Ansatz, um Qualitätsindikatoren zu klassifizieren. Für eine erste Differenzierung ist dies ein ausreichender Ansatz. Zur Identifikation und Beschreibung, insbesondere prozessbezogener Qualitätsaspekte, ist jedoch eine detailliertere Klassifikation notwendig.

Dazu wurde der Care4Saxony QI-Würfel als Klassifikationsrahmen für prozessbezogene Qualitätsaspekte in sektorenübergreifenden, integrierten Versorgungsnetzwerken entwickelt. Die drei Dimensionen des Würfels sind im Folgenden beschrieben.

 

Klassifizierungsframework für Prozessqualität in integrierten Versorgungsszenarien

 

Qualitätsdimension „Health Care Needs“

Da die Patientenperspektive und die individuellen Bedarfe und Bedürfnisse der Patienten ein wesentlichen Fokus der integrierten Versorgung darstellen , werden sie im Klassifizierungsframework in einer eigenen Dimension dargestellt („health care needs“). Das „US national health care quality framework” beschreibt typischen Phasen aus Sicht des individuellen Bedarfs, Gesundheitsdienstleistungen in Anspruch zu nehmen. Dazu zählen Prävention und Gesundheitsvorsorge („staying healthy“), gesund werden („getting better“), mit einer Krankheit oder Behinderung leben („living with illness/disability“) und das Lebensende begleiten („“end-of-life care“) . Diese bedarf-getriebenen Phasen gehen einher mit den typischen Phasen des Kontinuums der Versorgung, die in integrierten Versorgungssettings über verschiedene Leistungserbringer hinweg koordiniert werden müssen – von der Gesundheitsförderung und Prävention (korrespondierend mit „staying healthy“), über Diagnose, Behandlung, Rehabilitation (korrespondierend mit „getting healthy“) bis hin zur Langzeitversorgung chronischer Erkrankungen oder Behinderungen (korrespondierend mit „living with illness/disability“) und Palliation (korrespondierend mit „end-of-life care“) . Um ein prozessbezogenes, kontinuierliches Qualitätsmanagement in integrierten Versorgungsnetzwerken zu ermöglichen, ist die Definition von Qualitätsmaßnahmen und ihre Messung für alle vier Phasen von potenziellem Interesse.

 

Qualitätsdimension „Network Process Management“

Die prozessbezogene Qualität in einem Gesundheitsnetzwerk lässt sich in vier Hauptbereiche einteilen. Diese sind Effektivität („effectiveness“), Sicherheit aus Patienten-, Leistungserbringer- und Umweltperspektive („safety“), sowie Patientenzentriertheit („patient-centeredness“) und Kontinuität der Versorgung („continuity“). Eine Beschreibung und Beispiele für jeden dieser vier Bereiche ist in nachfolgender Tabelle zusammengefasst.

Effektivität und Sicherheit wurden als Kernelemente der Versorgungsqualität identifiziert, die für eine prozessbasierte Qualitätsbewertung relevant sind, wohingegen Patientenzentriertheit und Kontinuität besonders in integrierten Versorgungssettings relevant sind. Im Zuge der Betrachtung von Patientenzentriertheit können patient reported outcomes (PROs) und patient reported experiences (PREs) einfließen.

Andere traditionelle Qualitätsbereiche der Gesundheitsversorgung wie Effizienz und Gleichheit/Gerechtigkeit im Zugang, Behandlung, Verteilung etc. sind im Klassifikationsframework explizit nicht enthalten. Sie stellen weiter gefasste, wirtschaftliche und soziale Ziele der Gesundheitspolitik dar.

 

Qualitätsdimension „Level of Analysis“

Qualitätsindikatoren lassen sich hinsichtlich ihrer Analysebene („level of analysis“) unterscheiden. Dies ist wichtig, weil die Messung und Analyse dieselbe Betrachtungsperspektive haben müssen. Aus diesem Grund unterscheidet das Klassifizierungsframework zwischen Qualitätsindikatoren auf der Mikro-, Meso- und Makroebene. Diese Differenzierung wird auch verwendet, um die Ebenen der Versorgungsintegration zu beschreiben .

Die Mikro-Ebene bezieht sich auf Messgrößen, die individuelles, menschliches Verhalten beschreiben und Interaktionen zwischen Individuen wie z. B. die Interaktion zwischen PatientInnen und ÄrztInnen erfassen (individuen-basierte Qualitätsmessungen). Die Meso-Ebene bezieht sich auf Qualitätsindikatoren, die sich auf einzelne organisationale Einheiten im Gesundheitsnetzwerk, wie beispielsweise Krankenhäuser, beziehen. Die Makro-Ebene bezieht sich auf Qualitätsindikatoren, die interorganisationale Gesundheitsnetzwerke und die Beziehungen zwischen den TeilnehmerInnen eines solchen Netzwerks beschreiben. Beide Maßnahmen auf der Meso- und Makroebene sind populationsbezogen .

 

Mehr dazu

Die Ergebnisse zur Strukturierung von prozessbezogenen Qualitätsindikatoren (Netzwerk-QI-Schema) wurden als Teil der folgenden Publikation erfolgreich veröffentlicht:

Richter, P. (2019): Bringing Care Quality to Life: Towards Quality Indicator-Driven Pathway Modelling for Integrated Care Networks In: Proceedings of the 27th European Conference of Information Systems (ECIS2019), Stockholm-Uppsala, Sweden.
[Science-Blog] [Details] [PDF] [Poster]

 

Kommen Sie gern auf uns zu

Nutzen Sie den QI-Würfel zur Analyse Ihrer bestehenden Qualitätssystematik, zu ihrer Weiterentwicklung und zur Entwicklung neuer. Bei Fragen und Wünschen zur Anwendung und Umsetzung eines pfadbasierten Qualitätsmanagements in Ihrem Gesundheitsnetzwerk oder Ihrer Gesundheitseinrichtung kommen Sie gern auf uns zu!

Ansprechpartnerin: Peggy Richter | peggy.richter2@tu-dresden.de

 

Literatur

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